3.4. Die Akte in der mündlichen Verhandlung

Posted on September 3rd, 2010 September 3rd, 2010 by admin

Über die gerichtsinterne Führung und Bearbeitung von elektronischen Akten hinaus ist denkbar, diese den Parteien – beispielsweise über ein Webportal – zum Zwecke der Zustellung, der Akteneinsicht und insbesondere für die mündliche Verhandlung zur Verfügung zu stellen.

Ausgangspunkt des hier dargestellten Ansatzes ist die Gewährleistung eines ge­mein­samen und gleichzeitigen Zugriffs aller Verfahrensbeteiligten auf die elek­tronischen Dokumente. Grundlage des Ansatzes ist das Vorhalten der Dokumente der Gerichtsakte in einer für alle Verfahrensbeteiligten einsehbaren Plattform.

Diese Lösung erlaubt die individuelle Recherche in den in das Verfahren eingebrauchten Dokumenten ebenso wie die gleichzeitige Ansicht bestimmter Dokumente oder Textpassagen aus diesen Dokumenten.

Hierfür erhalten Richter und Verfahrensbeteiligte vor der Verhandlung – idealerweise bereits bei Eröffnung des Verfahrens – Zugriff auf eine nur für die Verfahrensbeteiligten auf Grundlage eines sicheren Zugangsberechtigungs-mechanismus (elektronische Signatur, nPA…) zugängliche, elektronische Plattform.

Die Plattform besteht aus drei Bereichen:

  • Die Akte
  • Der Aktenauszug
  • Die Verhandlungsansicht

Die Akte bildet den Mittelpunkt der Plattform. Hier sind, wie oben ausführlich beschrieben, die Dokumente der Gerichtsakte abgelegt. Auf diese Dokumente haben sowohl die Richter als auch die Verfahrensbeteiligten jederzeit lesenden Zugriff. Jeder Nutzer kann nach Belieben individuell in diesen Dokumenten recherchieren. Nur das Gericht ist berechtigt, Dokumente in diese Akte hochzuladen.

Neben diesem für alle Beteiligten und Richter sichtbaren Bereich „Die Akte“ sollte die Plattform zusätzlich auch jeweils über einen privaten, geschützten Bereich „Aktenauszug“ für jeden Benutzer verfügen. In diesem Bereich können die Nutzer bestimmte Dokumente oder Dokumententeile aus dem Bereich „Akte“ vorhalten, um während der Verhandlung schnell auf ausgewählte Informationen zurückgreifen zu können. Dabei ist der Grundsatz, dass nur im schriftlichen Verfahren zugestellte Schriftsätze Gegenstand der mündlichen Verhandlung sind, zu beachten. Dokumente, Daten oder Informationen, die nicht bereits im Bereich „Akte“ abgelegt sind, können nicht in den Bereich „Aktenauszug“ hochgeladen werden. Es ist deshalb nicht nötig, eine „upload-Funktion“ zur Verfügung zu stellen. (Denkbar ist allerding, eine solche Funktion unter der Bedingung bereitzustellen, dass hochgeladene Daten und Dokumente eindeutig gekennzeichnet sind.) Der Zugriff auf die eigene Verfahrensakte soll für die Verfahrensbeteiligten getrennt, z.B. durch Einloggen auf den eigenen Server, möglich sein. Eine Integration der eigenen Verfahrensakte oder Teile dieser Akte in das Webportal muss allerdings aus den oben genannten Gründen ausgeschlossen bleiben (es sei denn, die Möglichkeit des uploads mit besonderer Kennzeichnung der hinzugefügten eigenen Dokumente wird bevorzugt).

Darüber hinaus muss lediglich sichergestellt sein, dass vollständige Dokumente oder Dokumententeile aus dem Bereich „Akte“ in den Bereich „Aktenauszug“ per drag and drop oder über eine Touch-Screen-Funktionalität übernommen werden können. Ein über die Anfertigung eigener Notizen hinausgehender schreibender Zugriff ist deshalb nicht zur Verfügung zu stellen.

Für die gemeinsame Ansicht ausgewählter Daten, Texte und Informationen während der Verhandlung sollte ein Ansichtsbereich „Verhandlungsansicht“ bereitgestellt werden. Hier können der Richter oder und die Verfahrensbeteiligten  in der konkreten Verhandlungssituation per drag and drop (oder Touch-Screen-Funktionalität) Informationen aus dem Bereich Akte oder Aktenauszug einbringen, die dann von allen Anwesenden gemeinsam eingesehen und diskutiert werden können. Alle Beteiligten haben gleichzeitig die Möglichkeit, im Bereich „Akte“ oder „Aktenauszug“ andere Dokumente mit Lesezugriff zu öffnen und zu recherchieren. In der Verhandlungsansicht können Dokumente geöffnet, Textteile angezeigt oder (temporäre) Markierungen vorgenommen werden, indem der Einbringende die Ansicht steuert. Im Einzelfall kann die Verhandlungsansicht auch über Projektionstechnik an entsprechenden Leinwänden oder Großbildschirmen visualisiert werden, wobei die entsprechenden Rechte, eine Visualisierung auszulösen, lediglich dem (Vorsitzenden) Richter eingeräumt werden sollten. Insbesondere in Verfahren, die komplexe Streitgegenstände (Baupläne, technische Zeichnungen, Unfallabläufe…) betreffen, ist die Bereitstellung einer zusätzlichen elektronischen Tafel oder eines Multi-touch-Tisches, die das Aufbringen und Speichern von Notizen an den abgebildeten Dokumenten erlauben, zu empfehlen.

Zusätzlich sollte das Verfassen eines Protokolls mit gleichzeitigem lesendem Zugriff der Anwesenden ermöglicht werden. Auch sollten die Richter in die Lage versetzt werden, während des Termins elektronisch miteinander kommunizieren zu können.

Die nachfolgende Visualisierung soll die beschriebenen Funktionalitäten verdeutlichen:

Die Funktionalitäten der Mediensteuerung (Soundanlage, Beleuchtung, Verschattung, Gerichtssaalmanagement) sollten, versehen mit einer entsprechenden Berechtigungslogik, ebenso in die Bildschirmansicht integriert werden, um dem (Vorsitzenden) Richter nicht eine weitere Bedienoberfläche zumuten zu müssen.

Für die technische Umsetzung dieses Ansatzes ist die Ausstattung sämtlicher Arbeitsplätze mit Rechnern (optimaler Weise Thin-Client-Lösungen) Bildschirmen und entsprechenden Bedienelementen (Tastatur, Maus) denkbar. Da der Zugriff auf die Gerichtsakte jedoch über das Internet erfolgt, genügt es auch, an den Beteiligtenplätzen lediglich Strom – und Internetzugang bereitzustellen. Dies hat den Vorteil, dass die Beteiligten mit ihren eigenen vertrauten Geräten arbeiten können. Hier wäre zu entscheiden, wie ein Internetzugang für die Verfahrensbeteiligten einzurichten ist. Zu beachten ist die zunehmende Verbreitung von integriertem mobilem Internet in Laptops über UMTS-Netze.

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